6. SONNTAG im Jahreskreis

Erste Lesung aus dem ersten Korintherbrief (2,6-10):

Evangelium nach Mt (5,17.20-24.27-28.33-34):

 

„Wir verkünden tiefsinnige Weisheit“, sagt Paulus. Weisheit ist mehr als ein großes Wissen, das ich mit dem Verstand erworben habe. Weisheit bekomme ich durch viele Lebenserfahrungen, die sich in meiner Vernunft, in meinem Gefühl, in meinem Herzen eingeprägt haben. Es ist ein viel tieferes Wissen. Und von dem spricht Jesus.

Er sagt: „Ihr werdet niemals in Gottes neue Welt kommen, wenn ihr seinen Willen nicht besser erfüllt als die Pharisäer und Schriftgelehrten.“ Diese galten als besonders gläubige und fromme Menschen. Aber Jesus nennt sie trotzdem Scheinheilige, weil sie sich nur an die Buchstaben des Gesetzes halten, die Vorschriften rein äußerlich erfüllen, ohne mit den Herzen dabei zu sein. Jesus fordert mehr als nur das Halten der Gebote. In den Geboten steckt Gottes Weisheit und diese geht weiter als die äußeren Buchstaben. Wir sind weise, wenn wir die Weisheit Gottes, die in den Geboten steckt, in ihrem tieferen Sinn erfassen.

Jesus gibt in seiner Bergpredigt einige Beispiele: über Töten, Ehebrechen, einen Meineid schwören. Wir wissen, dass es vernünftig ist sich an diese Verbote zu halten, sonst ist menschliches Zusammen-leben immer gefährdet und wird sogar unmöglich. Allein schon aus praktischen Gründen, aus Eigeninteresse und Selbst-schutz, ist es vernünftig, sich an die Gebote zu halten. Aber in ihnen steckt ein tieferer Sinn, eine tiefere Weisheit Gottes.

„Du sollst nicht töten, nicht morden.“ Ich halte nicht nur deswegen dieses Gebot, weil ich niemanden umbringe. Töten ist nur das letzte Glied einer langen Kette von verwerflichem Handeln, das zerstört, kaputt macht, dem gelingenden Leben abträglich ist und schadet. Vor dem Töten ist im Menschen schon vieles passiert: Wut, Aggression, Hass- und Rachegefühle... Ich kann auch mit Worten einen Menschen kaputt, fertig machen, sein Leben zerstören. Wir können z.B. auch Rufmord begehen. Die Bereitschaft, jemanden physisch umzubringen, wächst schon viel früher im Innern des Menschen. Er macht sich schon viel früher, vor der Tat, schuldig.

„Du sollst nicht die Ehe brechen.“ Gemeint ist in diesem Beispiel die Ehe eines anderen. Du sollst nicht in die Ehe eines anderen einbrechen, in seine eheliche Beziehung eindringen. Das geschieht nicht erst dann, wenn du mit seiner Partnerin/mit ihrem Partner schläfst. Das beginnt schon damit, wenn du von einem oder einer anderen die Frau, den Mann, auch nur mit begehrlichen Blicken ansieht und sie/ihn haben willst: dann bist du schon in ihre/seine Ehe eingebrochen. Es geht darum, die allerersten Ansätze bei sich selbst zu unterbinden, die Gefühle nicht einmal aufkommen zu lassen. Das ist die wahre Weisheit, das, was Gott meint.

„Du sollst keinen Meineid schwören.“ Nicht falsch aussagen vor Gericht, aber auch nicht in den alltäglichen zwischenmenschlichen Beziehungen. Du sollst überhaupt nicht das Bedürfnis haben, zu schwören, d.h. mit Kraftworten deine Glaubwürdigkeit zu bestätigen. Du sollst für andere ganz normal und selbstverständlich glaubwürdig sein, weil du immer zu deinem Wort stehst, weil dein „Ja“ immer ein „Ja“ und dein „Nein“ immer ein „Nein“ ist. Du sollst grundsätzlich verlässlich und ehrlich sein. Du sollst grundsätzlich glaubwürdig sein. Oft wird deswegen gesagt: „Du sollst immer die Wahrheit sagen.“ - Wenn ein Außenstehender einen Arzt fragt, welche Krankheit sein Patient hat, dann muss dieser Arzt nicht die Wahrheit sagen, weil der Fragende kein Recht darauf hat. Ich muss also nicht immer die Wahrheit sagen, sondern das, was ich sage, soll wahr sein.

Bei all diesen Beispielen will Jesus deutlich machen: Es geht nicht nur um die äußeren Taten. Schon die innere Einstellung muss richtig sein. Wir sollen den Willen Gottes besser erfüllen als „Pharisäer und Schriftgelehrte“, die äußerlich gesetzestreu, gesetzeskonform handeln, während ihre innere Einstellung nicht stimmt, weil sie innerlich vielleicht voller Neid-, Hass- oder Rachegefühle sind und das, was anderen gehört, begehren. Nur das äußere Benehmen scheint „heilig“ zu sein. Es geht für uns darum, die Weisheit Gottes, die in seinen Geboten steckt, zu erkennen und danach zu leben. Das ist wahre Weisheit.

 

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